Deutschland, insbesondere München, ächzt dieser Tage unter der Zahl der Flüchtlinge, die in den vergangenen Wochen zu uns strömten. Die Reaktionen darauf gingen stark auseinander – viele zeigten sich bestürzt, ergriffen, andere völlig empört und „besorgt über das Schicksal Deutschlands“. Wieder andere ließen alles stehen und liegen, um der Stadt München und vor allem den Flüchtlingen zu Hilfe zu eilen. Diese Menschen haben unvorstellbare Leistungen erbracht und den Ansturm der Flüchtlinge nahezu bewältigt. Davon konnte ich mir selbst vergangenen Freitag in einem Auffanglager in der Messe München ein Bild machen.
Ursprünglich plante ich, nachts am Hauptbahnhof zu dolmetschen, was jedoch ins Wasser fiel. Da ich trotzdem etwas tun wollte, informierte ich mich via Facebook darüber, wo gerade Helfer und Güter gebraucht wurden. Gemeinsam mit einer Freundin zog ich Freitagabends in Richtung Messe los, um dort in der Nacht als Helferin zu arbeiten. Im Gepäck den gesamten heimischen Keks- und Müsliriegelbestand sowie ein Dutzend Bananen.
An der Messe angekommen, trugen wir uns in die Liste der Helfer ein und gaben unsere Spenden ab, anschließend teilte man uns ein; ich landete bei der Essensausgabe. Meine Schicht war von 00:00 bis 08:00 angesetzt. Zunächst war ich dafür zuständig, Wasser und kleine Snacks an Flüchtlinge auszugeben, während noch warmes Essen vorhanden war. Zu späterer Stunde packten die zahlreichen Freiwilligen Lunchpakete für die Menschen, die mit Brot, Konserven, Marmelade, Snacks und Wasser gefüllt waren. Im Großen und Ganzen lief alles sehr geordnet und friedlich ab; kleinere Schwierigkeiten entstanden durch Sprachbarrieren, konnten aber entweder durch Gestik oder Dolmetscher gelöst werden.
Was diese Nacht so besonders machte, war neben dem Engagement an sich auch die Tatsache, dass es einfach Spaß gemacht hat. Natürlich sah man auch viel Leid, von jungen Männern, die vor Erschöpfung kollabierten bis zu weinenden Menschen, die schlechte Nachrichten erhielten. Oder die Dinge, die sie erzählten, welche viel zu schrecklich sind, um sie zu wiederholen.
Nichtsdestotrotz war es ein wahnsinnig gutes Gefühl, die Freude der Menschen über unsere Arbeit zu sehen. Dazu gehörte die erstaunte Reaktion eines jungen Syrers über die Tatsache, dass alle Flüchtlinge kostenloses Essen bekommen würden oder das erfreute und gerührte Gesicht einer jungen Pakistani mit zwei Kindern, dass die Helfer dort freiwillig arbeiteten und ihre Zeit opferten. Ich habe aufgehört zu zählen, wie viele Menschen mir aus Dankbarkeit Gottes Segen wünschten, kann mich aber an jedes einzelne Kindergesicht, das vor Freude über Obst leuchtete, erinnern.
Sogar zum Helfen waren einige bereit: Als ich nach einigen Stunden in der großen Halle mit Aufräumen beschäftigt war, standen einige junge Männer auf und halfen mir dabei, obwohl sie erst kurz zuvor selbst angekommen waren und noch einen völlig erschöpften Eindruck machen. In den frühen Morgenstunden, als ich mit der Ausgabe von Tee beschäftigt war und keine Möglichkeit hatte, frisches Wasser zu holen, gingen mir auch dabei einige zur Hand. Kein Geld der Welt hätte das ersetzen können.
Das Einzige, was mich noch euphorischer stimmte, war die große Zahl der Freiwilligen, die in dieser Nacht in der Messe half. Während der vergangenen Wochen beschlich mich immer wieder das Gefühl, dass unsere Bevölkerung (vor allem in Bayern) wenig Anteilnahme für das Schicksal der Flüchtlinge zeigte. Die enorme Hilfsbereitschaft in München hat mich allerdings eines Besseren belehrt: Dass bisweilen keine Helfer mehr gebraucht wurden zeigt, dass es sehr vielen Menschen nicht egal ist, was hier passiert. Sie alle wollten sich für die Besserung der Lage einsetzen, manche sogar über einen Zeitraum von mehr als 12 Stunden, andere schauten schon gar nicht mehr auf die Uhr. Sie alle setzten ein Zeichen gegen den Hass auf Flüchtlinge und vor allem: dafür, dass man einander hilft.